Spätenstens seit einer Station nach dem Startbahnhof bin ich todmüde. Zugfahren macht mich generell unheimlich müde. Ich starre aus dem Fenster in die Dunkelheit und schaue zwei Regentropfen bei ihrem Wettlauf an der Scheibe zu. Wie kitschig. Im Hintergrund unterhalten sich zwei ältere Frauen über Mietpreise, Krebserkrankungen und Galeria Kaufhof, und ich bin einfach nur müde. Die Zugansage habe ich mittlerweile komplett ausgeblendet, ich weiß zumindest nicht mehr, an welchem Unterwegsbahnhof der zug momentan gerade hält. Zuzusteigen scheint ohnehin niemand mehr, nichtmal der Schaffner hält um diese Uhrzeit einen Fahrkartenkontrollrundgang noch für notwendig.
"Wie soll das jetzt eigentlich weitergehen, wo wir schon so weit sind?" fragst du, ich überlege, ob du damit das nahende Ende der Zugfahrt meinst und antworte nur "Mmmh". Was soll ich auch sonst sagen?
Es war ein schöner Tag. Wir waren im Museum, Du und Ich, moderne Kunst und so, und da du Ahnung hast, konntest du mir das alles erklären. Du und Ich. Klingt irgendwie komisch. Ungewohnt. Neu. Einen ganzen Tag lang Du und Ich. Du erklärst, ich höre zu. Du fotographierst, ich bin auf schätzungsweise 72% aller Bilder. Du bestellst für zwei, ich läche der Bedienung gediegen zu. Ich sitze hier und du neben mir und... Schräg vor mir übergibt sich jemand. Zum Glück nur im Fahrradabteil, somit muss ich es nur hören, nicht auch noch sehen. Der Zug überbrückt laut Ansage so eben die Strecke vom letzten Unterwegs- zum Zielbahnhof. Neben mir liegt meine Tasche.
Kam mir doch gleich komisch vor, das mit dem Du und Ich.
9. September 2007
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4 Kommentare:
beste bekannte kreation deinerseits! =)
Im Prinzip ist das Leben wie eine einzige (manchmal ermüdende) Zugfahrt. Irgendwie sind wir ständig zwischen zwei Stationen unterwegs, und oft wissen wir gar nicht mehr, wo wir gerade herkommen und wohin es gehen wird. Was kommt als nächstes, welche Station erreichen wir? Und wenn wir dort ankommen – wie geht’s dann weiter?
Schön ist, wenn man auf dieser Fahrt durch das Leben nicht alleine ist. Wenn jemand neben einem sitzt, mit dem man eine schöne Zeit hatte. Und hoffentlich noch haben wird! Aber leider holt uns allzu oft irgendwas oder –wer aus diesem Traum zurück in die Realität. Und dann? Am Ziel steigen wir alleine hinaus in die verregnete Nacht…
Es gibt im Leben viele Nächte, in denen am Ende von dem „Du und ich“ doch wieder nur ein „Ich“ übrigbleibt! Und viele Züge, die uns zu immer neuen Stationen bringen, ohne daß wir vorher wissen, welche als nächstes kommt und wie es dort weitergeht. Und wenn wir aussteigen bleiben oft auch unsere Wünsche und Hoffnungen im Zug zurück.
Aber es gibt auch die eine Nacht, in der wir am Zielbahnhof ankommen und feststellen, daß der schöne Tag noch nicht zu Ende ist. Und in dieser Nacht, liebe t., werden zwei gemeinsam durch die Dunkelheit gehen und vielleicht fröhlich-kitschigen Nachlauf spielen – und das werden nicht die Regentropfen sein…! :O)
hallo T. - bin durch deine ICQ Abwesenheitsnachricht hier gelandet :D
Werd in Zukunft öfter vorbei guggn. Grüße!
Ein wirklich ganz wunderfeiner Text!!! =)
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