30. Oktober 2007

Sometimes strange Things happen

Bücher sind wie Magnete - sie ziehen mich magisch an.
An nur wenigen Büchern kann ich vorbeigehen, ohne sie gelesen zu haben, mindestens in Bus und Bahn ist ein Druckwerk mein Begleiter. Und wer kann schon zu einer gemütlichen Stunde mit einem guten Buch bei einem Glas Wein und einem Stück Schokolade in heimeliger Athmosphäre Nein sagen? Ich kann es jedenfalls nicht - und wöllte es auch gar nicht.
Gute Bücher sind Selbstläufer, sie entwickeln einen Sog, der den Leser in die Geschichte hineinzieht, gefangennimmt und erst wieder freigibt, wenn die letzte Buchseite umgeblättert ist und man sich zum x-ten Male abschließend den äußeren Klappentext durchgelesen hat.
All diese Erfahrungen mache ich mit jedem guten Buch immer wieder aufs Neue. Diesmal jedoch traf mich die Erkenntniss persönlich, unverhofft, ziemlich offensiv, anders, als ich es gewohnt war - und zudem noch im öffentlichen Personennahverkehr.

Natürlich gehe ich davon aus, das diese geradezu physikalisch messbare Anziehungskraft von Büchern sich nicht nur bei mir, sondern auch bei Anderen bemerkbar macht, so direkt konfrontiert wurde ich allerdings bisher damit noch nie (sieht man von fadenscheinigen Entschuldigungen einiger, die Kino-Verabredeung abzusagen, um den Harry Potter-Band zu Ende zu lesen und ähnlichen Erfahrungen weitesgehend ab). Zumal es sich speziell um ein Buch handelt, welches besonders attraktiv auf meine Umwelt zu wirken scheint... Der Vergleich hinkt stark, ich gebe es zu, und ich möchte mich auch in keinster Weise mit diesem tollen Autor vergleichen, aber ich komme mir ein bisschen vor wie im "Schatten des Windes" - das Buch hat irgendwie komische Auswirkungen auf meinen Alltag.

"Sometimes strange things happen." Oh ja. Justament in dem Augenblick, in dem meine Augen diesen Satz vom Papier abtasten, werde ich angesprochen. Nachts, halb drei, in der Straßenbahnlinie 3, Höhe Carolaplatz, ertönt von schräg gegenüber die Stimme eines jungen Mannes, der entweder durch den Umschlag und die bisher gelesenen Seiten direkt auf diesen Satz geblickt hat (unwahrscheinlich) oder einfach nur mit der Ironie des Schicksals paktiert (eher wahrscheinlich): "Ich denke, das Buch ist witzig? Warum lachst du denn gar nicht?" Ich blicke auf und geradewegs in das Gesicht des besagten jungen Mannes, der seinen Ausspruch wohl als Beginn einer lustig-inspirativen Unterhaltung versteht, sich auf den Platz direkt gegenüber von mir setzt und mit einem (so denkt er vermutlich) gewinnenden Grinsen angrient. Ich bin so fasziniert vom der besagten Ironie des Schicksals, dass ich mich ernsthaft zusammenreißen muss, um nicht laut loszulachen. Stattdessen sage ich "Ich bin gerade erst eingestiegen, habe das Buch gerade erst aufgeschlagen und gerade erst angefangen, darin zu lesen. Deswegen.", wende mich, in der Hoffnung nun Ruhe zum Lesen zu haben, wieder den Seiten zu und fange wieder am Anfang des Kapitels an, von dem ich zum Zeitpunkt seiner Frage gerade mal 3 Zeilen gelesen hatte. Und tatsächlich - er ist ruhig. Vorerst! Denn als ich eine halbe Minute später immernoch nicht in schallendes Lachen ausgebrochen bin, fragt er mich erneut, ob ich das Buch nicht lustig finden würde - "Du lachst ja nichtmal...". "Doch, ich finde das Buch lustig. Es wäre allerdings noch lustiger, wenn ich es in Ruhe lesen könnte, ohne pausenlos gestört zu werden." Er gibt Ruhe - und ich schmunzle wenigstens in unregelmäßigen Abständen, damit er zufriedengestellt ist, worauf ich den Kommentar "Na siehste, geht doch...!" ernte. Meinethalben, so lange ich in Ruhe lesen kann... denkste. Höhe Hauptbahnhof Nord ("Kurzer Aufenthalt zur Anschlussübernahme!") meldet er sich wieder: "Was findst'n eigentlich am lustigsten an dem Buch?" Langsam bin ich ernstlich genervt. "Vieles." - "Na was denn so?" - "..." - "Worum geht'sn darin eigentlich?" ZACK! Mit einem Male schlägt mich die Ironie des Schicksals wieder mit der Flachen Hand auf den Rücken. Erst hält er mir vor, wie lustig das Buch ist - und dann hat er es nichtmal gelesen. Meine Frage, ob er es denn nicht gelesen hätte, beantwortet er mit einem trockenen "Nöö..." - er hätte nur mal gehört, das Bücher von dem Autor generell lustig wären. Ich hab mein Buch genommen und mich weggesetzt. Sometimes strange things happen.

Anscheinend eilt diesem Buch ein Ruf voraus. Ich weiß nicht, ob es auf Dating-Plattformen als eindeutiges Single-Erkennungsmerkmal, das auf "Bitte sprich mich an!" hinweist, verbucht ist, ich erlange allerdings mehr und mehr diesen Eindruck.
Auf meinem allmorgendlichen Weg zur Uni sitze ich, wie immer, lesend im Bus und denke über die vorangegangenen Ereignisse nach. Ich habe so eben beschlossen, sie als einen dummen Zufall zu werten, als ein junger Mann, der nicht unbedingt aussieht, als würde er viele Bücher lesen (und schon gar nicht auf Englisch... ja, Vorurteile, haut mich!), den Bus betritt und sich schräg gegenüber von mir niederlässt. Natürlich muss ich mir ausmalen, dass ich wieder irgendeinen Satz lese, er in diesem Augenblick aufsteht, sich zu mir herübersetzt und irgendeine blöde Bemerkung macht, und natürlich muss ich bei diesem Gedanken grinsen. Als ich jedoch zwei Minuten später aus den Augenwinkeln mitbekomme, wie er Mundspray aus der Tasche zieht, es ausgiebig benutzt, wieder in seiner Tasche verstaut, aufsteht, in meine Richtung läuft - und ich gleichzeitig den Satz "The madness took a strange form." lese, vergeht mir jedliches Grinsen. Leider zu spät: Der junge Mann hat das dringende Bedürfniss mich zu fragen, ob das Buch lustig sei.
Diesmal trifft mich der Schlag der Ironie direkt auf den Hinterkopf und macht mich sprachlos. Ich reiße meine Augen ziemlich dämlich weit auf, bringe nur ein Nicken zustande und bin froh, dass der Bus so eben an meiner Zielhaltestelle Strehlener Platz hält, damit ich aussteigen kann.

Um in Zukunft Lachen und Grinsen zu dürfen, wann und wie ich will, werde ich dieses Buch nur noch zu Hause lesen - in heimeliger Athmosphäre, bei einem Stück Schokolade und einem Glas Wein. Und ich werde eine Warnung darauf kleben: Vorsicht! Nicht in der Öfentlichkeit lesen! Nicht in Gesellschaft genießen! Bitte vor dem Lesen Telefon Ausstöpseln, Computer ausmachen, Handy ausschalten und Tür abschließen um es ungestört genießen zu können! Sometimes strange Things happen!

9. September 2007

Zugfahrt mit Dir und Mir

Spätenstens seit einer Station nach dem Startbahnhof bin ich todmüde. Zugfahren macht mich generell unheimlich müde. Ich starre aus dem Fenster in die Dunkelheit und schaue zwei Regentropfen bei ihrem Wettlauf an der Scheibe zu. Wie kitschig. Im Hintergrund unterhalten sich zwei ältere Frauen über Mietpreise, Krebserkrankungen und Galeria Kaufhof, und ich bin einfach nur müde. Die Zugansage habe ich mittlerweile komplett ausgeblendet, ich weiß zumindest nicht mehr, an welchem Unterwegsbahnhof der zug momentan gerade hält. Zuzusteigen scheint ohnehin niemand mehr, nichtmal der Schaffner hält um diese Uhrzeit einen Fahrkartenkontrollrundgang noch für notwendig.
"Wie soll das jetzt eigentlich weitergehen, wo wir schon so weit sind?" fragst du, ich überlege, ob du damit das nahende Ende der Zugfahrt meinst und antworte nur "Mmmh". Was soll ich auch sonst sagen?
Es war ein schöner Tag. Wir waren im Museum, Du und Ich, moderne Kunst und so, und da du Ahnung hast, konntest du mir das alles erklären. Du und Ich. Klingt irgendwie komisch. Ungewohnt. Neu. Einen ganzen Tag lang Du und Ich. Du erklärst, ich höre zu. Du fotographierst, ich bin auf schätzungsweise 72% aller Bilder. Du bestellst für zwei, ich läche der Bedienung gediegen zu. Ich sitze hier und du neben mir und... Schräg vor mir übergibt sich jemand. Zum Glück nur im Fahrradabteil, somit muss ich es nur hören, nicht auch noch sehen. Der Zug überbrückt laut Ansage so eben die Strecke vom letzten Unterwegs- zum Zielbahnhof. Neben mir liegt meine Tasche.
Kam mir doch gleich komisch vor, das mit dem Du und Ich.

27. Mai 2007

Vase Ahoi!

Es hätte ein gemütlicher Sonntagnachmittag werden können. Pfingstsonntag, eitel Sonnenschein, Ausnüchterung und dann mal weitersehen. Aber was wäre die Welt ohne gewisse Überraschungen? Natürlich, die Überraschung hätte wesentlich angenehmer ausfallen können, aber das ist ja das Wesen von Überraschungen – man kann sich weder sie noch ihren speziellen Charakter aussuchen.

Die erste Überraschung war ein Gewitter, welches absolut harmlos anfing. Es regnete, regnete, regnete und regnete, sodass ich bereits grummelnd meine draußen-mit-Decke-auf-die-Wiese-legen-und-dann-dort-entspannen -Pläne gründlich über den Haufen warf, zumal es sich gerade schön stetig - sagte ich das bereits? - einregnete. Ich bin kein besonders großer Fan von Blitz und Donner, also hielt sich meine Begeisterung für das nun aufkommende Gewitter ebenfalls stark in Grenzen. Als es dann auch noch zu Hageln anfing und die Lautstärke unter dem Dach beträchtlich in Richtung „unaushaltbar“ anstieg sank meine Laune proportional zur anwachsenden Wettergewalt in eine stark negative Gegend.

Das Erste, was ich sah, war eine Vase, welche gemütlich und ungestört ihre Kreise zog. An ihr vorbei schwammen, kolissionsfrei, Trockenblumen (nun alles andere als trocken), Pappdeckel (wie kleine Schiffchen), ein Nylon-Strumpf sowie ein paar Blätter (oder zumindest etwas, was ich für Blätter hielt). Vase Ahoi! Wenn ich etwas Zeit gehabt hätte, wären mir eventuell noch mehr Details dieses an und für sich friedlichen Szenarios im Gedächtnis geblieben, aber die aufgeregte Stimmung der Personen zu meinen Seiten lenkte meine Aufmerksamkeit ein wenig ab.

Ohne schon mal dort gewesen zu sein, erinnerte mich das Wasser ein bisschen an eine Lagune, irgendwo in einem Teil Venedigs, augenscheinlich einem etwas weniger bewohnten. Das Wasser hatte eine etwas eigentümlich blau-grün-graue Färbung, wobei noch nicht ganz geklärt ist, woher diese stammt. Es könnte mit dem grauen Boden zu tun haben, mit der Tatsache, das diese blau-grün-graue Brühe eigentlich Abwasser ist, aber auch mit einigen eventuellen Waschpulver-Weichspüler-Seifenanteilen, die diese undefinierbare Lösung auf Grund eines etwas niedrig gebauten Regals enthielt. Das weniger Schlimme war allerdings weder die Farbe dieses unverhofften Sees noch dessen Temperatur (eiskalt!), sondern vielmehr die Tatsache, das er sich in unserer Waschküche befand, wo sich, wie üblich, normaler Weise weder ein stehendes noch ein fließendes Gewässer befindet. Verursacht wurde dieser fischlose, die zweite Überraschung des Tages bildende See durch das draußen tobende Gewitter, welches die Schleusen und ihre Technik zum kollabieren brachte. Allein der Regen war Grund genug, überlastet zu sein, der Hagel letztendlich hatte ihnen wohl noch den Rest gegeben.

Das sich nun stellende Problem wog, pro Stück, denn eigentlich waren es zwei Probleme, runde 90 Kilo, wenn nicht sogar mehr, und befand sich an der rechten Wand, idyllisch umspielt von blau-grün-grauen Wogen und zielsicher umschifft von nassen Trockenblümchen und kleinen Pappdeckelschiffchen auf Vasenverfolgungsjagd. Die Probleme hießen Trockner und Waschmaschine, und sie mussten aus dem Krisengebiet der Vasen-Nylonstrumpf-Seeschlacht befreit werden. Also rein ins Wasser (Die Badeschuhe aus dem Kroatienurlaub von vor 8 Jahren fanden eine glückliche Wiederverwendung!), mitten aufs Schlachtfeld, und dann zu zweit die Geiseln befreit. Was für eine Heldentat! Wenigstens das konnte gerettet werden, eine weitere Packung Waschmittel und unzähliger Kleinkram fiel der Wasserschlacht zum Opfer.

Als grundlegend pazifistisch eingestellter Mensch fischte ich letztendlich noch die Vase aus der blau-grün-grauen Schlachtfeldbrühe und setzte somit dem Kampf ein Ende - sollten die Blümchen, Blättchen und Deckelchen doch machen, was sie wollten (der Strumpf war, meiner Meinung nach, ohnehin nur ein ziviler Kollateralschaden, vollkommen unschuldig in die Gefechtsszenerie hineingeraten) – und ging Duschen. Frohe Pfingsten!

10. Mai 2007

Hirnstrom-Ökonomie

Ich habe eine Theorie: Ich werde steinalt. Sollte ich nicht durch einen herabfallenden Ziegelstein oder ein anderes unglückliches, aber leider unvorhersehbares Ereignis dahingerafft werden müsste ich, laut meinen Berechnungen, mindestens 80 werden, wenn nicht sogar noch älter. Wenn das mal keine Aussichten sind… Allerdings hat meine Theorie einen Haken: sie bezieht sich nur auf mein Gehirn. Der Rest meines Körpers ist dem natürlichen Verfall leider schonungslos ausgeliefert. Die Aussichten sind also doch nicht nur rosig.

Meine Theorie beruht auf einem schlichten und einfachen Fakt: Mein Gehirn scheint, im Gegensatz zum Rest meines Körpers, eine Art Stand-by-Schalter zu besitzen. Und ich scheine häufig genug davon Gebrauch zu machen. Geht man also von der natürlichen Logik aus, das seltenere Benutzung geringere Verschleißerscheinungen hervorruft und dies wiederum dem Gegenstand ein gewisses Maß an Haltbarkeit und Gesundheit zusichert, müsste mein Gehirn, meinen Berechnungen zu Folge, mindestens 25% langsamer altern als der Rest von mir, wenn nicht sogar noch mehr. Folglich könnte mir blühen, das ich im zarten Alter von Mitte Neunzig zwar weder eigenständig Laufen noch Sehen (wenn nicht sogar noch weniger!) kann, dafür aber in meinem noch verhältnismäßig jungen Hirn alle Bewohner „meines" Seniorenheims am Schlurfen ihrer Schritte unterscheiden und zusätzlich zu ihrem Namen und ihrem Alter auch noch ihre Lebensgeschichte erzählen kann. Wenn nicht sogar noch mehr. Diese Aussichten finde ich nun bei Leibe nicht mehr rosig.
Der Grund, auf dem ich meine Theorie basiere, ist ein einfacher, eigentlich ziemlich banaler, aber sein gehäuftes Auftreten in letzter Zeit bereitet mir zunehmend Sorgen: ich bin vergesslich. Aber nicht vergesslich im Sinne von „Ach? Da war was?", meine Vergesslichkeit ist vielmehr der Gestalt, dass ich Dinge einfach ausblende. Das geht bei so einfachen Sachen wie Bus- und Straßenbahnfahrten los: Vollkommen in Gedanken versunken sitze ich in einem Fortbewegungsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs (tolles Wort!), noch beim Einsteigen rufe ich mir die Zielhaltestelle ins Gedächtnis. Und kommt es, wie es kommen muss: ich verpasse die Haltestelle. Nicht, weil ich so schrecklich abgelenkt werde durch handtaschenkramende Omis, zähnefletschende Hunde, Kinderwagenbarrikadenerrichtende Muttis, Schultaschenweitwurfübende Kinder oder andere Fahrgäste, sondern weil ich schlicht und ergreifend vergesse auszusteigen. Im Bestfall fällt mir dass eine Haltestelle später ein, oder wenn der Bus gerade die Türen schließt, im ungünstigsten Fall bekomme ich ein genaueres Bild über eine mehrere Haltestellen umfassende Gegend. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten. Nun gut, eine verpasste Haltestelle zieht, mal abgesehen von eventuellem Zuspätkommen, keine gröberen Konsequenzen nach sich, zumindest im häufigsten fall. Aber leider geht es nicht immer so glimpflich aus. Ich vergesse es, Arbeiten abzugeben, obwohl ich sie in der Tasche bei mir habe, ich vergesse Leuten Dinge auszurichten, obwohl ich mit ihnen spreche und kurz vorher noch an die betreffenden Nachrichten denke, ich gehe in den Keller um Mineralwasser und Nudeln zu holen und komme nur mit den Nudeln aber leider ohne Wasser zurück. Beispielhaft ist auch folgende Situation: ich komme um drei Uhr nachts nach Hause, denke die halbe Bahnfahrt lang an den in aller Herrgottsfrühe bevorstehenden Besuch des Schornsteinfegers (der ja heut zu Tage nur noch den Schornstein anschaut und Abgaswerte misst und demzufolge eigentlich Schornsteinbegutachter oder Emissionsmesser heißen müsste, aber das steht auf einem ganz anderen Blatt), überlege mir, zu Hause angekommen, auf welche Uhrzeit ich den Wecker stelle – und blende den schornsteinbegutachtenden Abgaswertmesser vollkommen aus. Mein Hirn, zu diesem Zeitpunkt vermutlich in einer Art Ruhezustand, konnte sich wohl nur noch auf den bevorstehenden Schlaf konzentrieren, die zugegebener Maßen nicht allzu lockende Vorstellung eines Keller- und Dachbesuches mit einem fremden, schwarz gekleideten Mann hat es vollkommen verdrängt. Mit fatalen Konsequenzen für mich: nach ganzen vier Stunden Schlaf wurde ich heute durch das melodische Scheppern der Klingel geweckt, die mir ein weiteres Mal meine Vergesslichkeit unter die Nase rieb. Noch ausreichend restalkoholisiert musste ich mich zur Selbstbestrafung also in Windeseile wenigstens äußerlich gesellschaftsfähig machen, man will dem armen Mann ja nicht schon am frühen Morgen den Tag verderben. Aspirin und Kaffee mussten leider, leider bis nach seinem Besuch warten, bei welchem ich immerhin im Rahmen eines semiwissenschaftlichen Fachvortrages gewisse Schadstoffnormen und Dergleichen kennen gelernt habe… Sagen wir lieber gehört habe, behalten konnte ich davon leider nichts. Ein kurzer Ausflug aufs Dach („Schauen Sie sich das mal an!" – ich habe nichts Besonderes gesehen, aber egal…), absolut begünstigt durch eine mittelstark ausgeprägte Höhenangst, hat mir dann schon vor Kaffee und Aspirin die Lebensgeister ein wenig geweckt, was nicht bedeuten soll, das ich danach tatsächlich wach war. Ich bin mir aber relativ sicher, das diese Aktion den Kippschalter an meinem Hirn von „Stand by" auf „on" umgelegt hat, immerhin. Naja, Strafe muss sein, und wenn es Dachklettern für's Vergesslich-Sein ist.

Ich möchte ganz und gar nicht bezwecken das hiermit der Eindruck entsteht, ich wäre senil. Dem widerspreche ich vehement! Ich habe auch meine absolut lichten Phasen, in denen ich geistig voll anwesend und zum Teil sogar hochmotiviert bin (ja, auch das gibt's!). Ich wollte lediglich auf eine Fähigkeit hinweisen, die eventuell ja auch noch andere Leute für sich nutzen können: Spart Energie beim Hirnstrom, Leute! Allerdings warne ich mit diesem Text auch: die Technik muss noch perfektioniert werden. Aber vielleicht gibt es ja den Einen oder Anderen, der sich ebenfalls an diesem Verfahren übt – ich würde mich freuen. Klar, ich könnte mit meinem Schlurf-Erkennen später mal zu „Wetten, dass…?" gehen. Ich könnte aber auch ein paar clevere Gleichaltrige finden, die sich ihr Hirn ebenfalls fürs Altersdasein aufgespart haben, und dann treffen wir uns montags zum Chor (10 Uhr), mittwochs zum Sudoku-Rätseln (16 Uhr), donnerstags zum Seniorenschach (10 Uhr) und freitags im Speiseraum zur Quantenphysik-Vorlesung (11 Uhr). Listen liegen im Foyer aus!

Vögel

Ich hasse Vögel. Vorhin wollte ich meine Fenster aufmachen – was natürlich, dank des stetigen Dauergeniesels da draußen, auch nicht wirklich möglich ist, ich lebe unter einer Komplettdachschräge und momentan eignen sich offene Fenster eher dazu, Stockflecken in den Teppich zu bekommen als genießbaren Sauerstoff ins Zimmer zu befördern. Mein nahezu unbändiger Drang nach Frischluft allerdings veranlasste mich dann doch dazu, sie wenigstens einen kleinen Spalt weit zu öffnen. Und da war es – das nahezu unerträglich laute schreien dieser Biester. So ein Lärm! Wenn mich schon nicht der Regen zu hermetischer Abriegelung zwang, dann spätestens jetzt dieses Gefiepe und Geträller da draußen. Was erlauben die sich denn? Einfach so fröhlich zu sein, wenn doch der Himmel so grau ist und alle draußen mit eingefallenen Gesichtern rumlaufen und meine Nerven ganz kurz vor'm Zerreißen sind… Tzisses! Überhaupt – Vögel! Was machen die denn groß? Den Ganzen Tag nur Dreck und Lärm. Und das auch noch in der Nacht, sodass man nie mit offenem Fenster schlafen kann, legt man nicht gesteigerten Wert darauf, um vier von einer hysterischen Amselmutter oder dem Kampfgeschrei der Tauben- und Elsternmafia geweckt zu werden. Schade eigentlich, dass meine Fenster letzte Nacht zu waren, das hätte perfekt zu meinem bisherigen Tagesablauf gepasst…

Es gibt Tage im Leben, die gehen schon blöd los. Mit dem Aufstehen, zum Beispiel. Aufstehen, nach dem man eine Nacht lang unheimlich schlecht geschlafen hat, verfolgt von bösen Träumen, aus dem Bett fallenden Kissen und weiteren Schlafstörern. Und dann gehen sie genau so dämlich weiter, wie sie angefangen haben – man kippt sich den Kaffee über die Hose, schmiert sich Zahnpasta aufs T-Shirt, muss nach dem Bus rennen, rammelt sich dabei natürlich noch ordentlich das Bein am Türrahmen ein und schafft dadurch den Bus letztendlich trotzdem nicht. Warum gehe ich eigentlich an solchen Tagen noch aus dem Haus? Warum hole ich nicht einfach die Zeitung aus dem Briefkasten (wo mir doch auf dem Weg dorthin schon genügend passieren kann), koche mir einen Kaffee (Achtung! Verbrennungsgefahr!), mach mir irgendwas zu Essen (am Besten etwas Kaltes, das sich ohne Messer und Gabel zubereiten und essen lässt) und verkrümel mich zurück ins Bett (wo mit dann bestimmt die Decke auf den Kopf fallen wird)? Ich müsste doch langsam wissen, wie's läuft… Nun denn, wider besseres Wissen bin ich heute trotz dieses Starts noch losgezogen. Und das habe ich nun davon: eine immer noch verbundene Hand (weil die Arztpraxis geschlossen war), klatschnasse Klamotten (weil es der Regen auf mich abgesehen hatte), eine beginnende Erkältung (ebenfalls aus dem Regen-Punkt resultierend), einen blauen Fleck am Schienbein (weil ich auf der regennassen Treppe ausgerutscht bin) und eine verbrannte Lippe (weil ich die Sache mit der Verbrennungsgefahr beim Kaffee doch unterschätzt habe).

Und dann dieses Wetter! Wirklich, ich habe kein Problem mit Regen, der erspart mir das lästige gießen. Aber das da draußen… das ist GRAUsam. Okay, ich gebe zu, das war ein schlechter Wortwitz, aber in meiner Verfassung darf man einfach keine lustigen Dinge von mir erwarten. Dazu noch so etwas stimmungsdrückendes wie das momentane Wetter – ich sehe es deutlich! Meine Psyche, die Vögel und der Wettergott, sie haben ein Abkommen. Es geht gegen mich und verfolgt das Ziel, mich zu deprimieren. Ooooh, und momentan gelingt es ihnen ganz gut… ich werde ja regelrecht verbittert. Das erschreckt mich. Vielleicht liegt's ja auch nur an der fehlenden Sonne und einem klein bisschen Sauerstoffmangel… ich sollte die Fenster öffnen. Aber da sind ja noch die Vögel…
Wie machen die das eigentlich? Die trällern den ganzen tag, von früh bis spät, ob nun Sonne scheint oder nicht… während sich unsereins vom Regen runterziehen lässt (diese Wetterfühligkeit! Die Migräne!) zwitschern die den lieben langen Tag dem Herrgott eins von Frohsinn vor… nicht schlecht. Vielleicht sollte man sich an den Schreihälsen ja doch mal ein Beispiel nehmen. Und genau genommen sind sie ja gar nicht soooo schlecht… ich meine, sie fressen Insekten, zum Beispiel die lästigen Mücken, und ganz hübsch sind sie ja eigentlich auch. Meistens. Sieht man von Tauben, Raben und Elstern ab. Naja, und was sie so singen… ist ja jetzt auch nicht ganz schlecht. Und heiser sind die auch nie, verblüffender Weise. Die treffen jeden Ton, ist das schon mal jemandem aufgefallen? Die singen nie daneben! Faszinierend. Möcht' ich auch mal können.

Hat grad aufgehört zu Regnen, seh' ich. Ich mach mal das Fenster auf – richtig weit - und hör dem polyphonen Stimmengewirr da draußen zu…
Ich glaub' ich hab ihn ausgetrickst, den Wettergott - und ein bisschen auch meine Psyche (daran arbeite ich noch). Ist gar nicht mehr alles ganz so schlimm wie vorhin… Was so ein Drang nach Frischluft alles bewirken kann… und die Vögel, natürlich. Gut, das es Vögel gibt.

das Pärchen-Phänomen

samstag abend, lang geplant: tanzen gehen! schwester kommt, kollektives schick-machen ist angesagt, bevor es dann endlich gen tanzlokal geht.
der plan war gar nicht so schlecht ausgedacht: die vor"band", bestehend aus einem einzelnen menschen (oh, falsch - er bekam zwischenzeitlich verstärkung an der gitarre), sollte von uns übersprungen werden, da wir bereits einmal in das zweifelhafte vergnügen kamen, uns die produkte dieses künstlers live zu gemüte zu führen. die darauffolgende band war der eigentliche zielpunkt unserer interessen (musikalischer seits).

gesagt, getan. leider macht einem das leben manchmal einen strich durch die rechnung. in besagtem tanzlokal angekommen mussten wir nämlich feststellen, das unser plan leider nicht aufgehen würde, da der herr vor"band" sich, asche auf sein haupt, leider nicht an unser so filigran ausgearbeitetes konstrukt halten wollte. hach, ich möchte einmal mit profis arbeiten...
eine gewisse, gelangweilte grundstimmung breitete sich aus, der man mit afri-cola zwischenzeitlich sogar gut entgegenwirken konnte! ein anderes merkmal rückte in unser blickfeld:

das pärchen.

ich weiß, ich bin solo, und nein, das ist kein neid. das ist einfach nur etwas, was ich verstehen möchte.
wir suchten uns einen gemütlichen platz in einer sitzecke, als das pärchen vor uns aufstellung bezog. eigentlich waren sie gar nicht nur zu zweit da, mindestens sie hatte noch freunde dabei, die sich dann aber - wie eigenartig... - in eine andere ecke des tanzlokales, vielleicht ja sogar zum tanzen?, aufmachten. übrig blieben die beiden, die nun anscheinend furchtbare angst hatten, so allein zwischen den ganzen fremden leuten. in ermangelung eines getränkes, an dem sie sich festhalten konnten, klammerten sie sich also an einander, als würde die welt um sie herum untergehen. das ist ja noch harmlos. aber dann folgte das ganze programm. zu erst die augen schließen, dann losknutschen und am besten nie wieder aufhören. ich frage mich immer wieder, ob es menschen gibt, die hautatmung beherrschen.
vielleicht ist es bei pärchen ja wie bei kleinen kindern - wenn sie die augen schließen denken sie, sie werden von ihrer umwelt nicht mehr gesehen, nur weil sie diese auch nicht mehr sehen können. vielleicht ist es ihnen auch schlicht und ergreifend egal. das pärchen jedenfalls stand fest verwurzelt und aneinander geklammert wie ein fels in der brandung mitten zwischen denen, die die musik der sogenannten vor"band" mit größerem interesse bedachten als wir, ja sogar, man glaubt es kaum, tanzten.
das pärchen - ein phänomen. phänomenal war auch, das die beiden irgendwann, wodurch auch immer ausgelöst, zur besinnung kamen und sich wieder fast wie normale menschen verhielten. okay, sie hielten sich immernoch eigenartig umschlungen, aber immerhin stellten sie kein unmittelbares risiko mehr für die tanzenden dar. zudem gesellten sie sich etwas ins abseits. aber ein phänomen wäre kein phänomen, wenn es nicht wieder auftauchen würde. in fast gleicher gestalt! beeindruckend!
kaum waren die beiden turtelnden ins seitenaus verschwunden, sorgte eine geheime und unsichtbare kraft für nachschub - noch ein pärchen, in ziemlich gleicher konstellation.wieder zwei junge menschen, die eigentlich mit einer kleineren menge fünfter räder am wagen unterwegs waren, wieder entfernten sich die besagten fünften räder rellativ schnell - und wieder lief das gleiche program ab. allerdings muss ich mein kompliment aussprechen - diese beiden haben es wesentlich länger durchgehalten als ihre vorgänger. vielleicht lag es an der musik, die sich mittlerweile etwas geändert hatte, vielleicht aber auch am alter oder nichtmessbaren werten, ich weiß es nicht, zumindest stellten das pärchen als wir gingen noch das selbe verkehrshindernis da wie ca. eine stunde zuvor. zurückhaltender als ihre vorgänger waren sie allerdings in keinem fall, eher im gegenteil.

ich bin auch kein zurückhaltender mensch, weiß gott nicht, und ich wäre die letzte, die an herzdrücken sterben würde - allerdings stelle ich mir zunehmend die fragen: bin ich spießig? was fehlt mir (sieht man mal vom partner ab), das ich derartige tanzflächenbegattungsaktionen nicht mache? werde ich alt, das ich mich an tanzflächenhindernissen wie diesen störe? bin ich es etwa schon? all diese fragen machen mir wirklich sorgen. das einzige, was mich wirklich beruhigt ist, das meine schwester ebenfalls spießig wäre, ihr das gleiche fehlt wie mir und wir zumindest gemeinsam altern. trost!

Ich mach' dir gleich Licht an's Fahrrad!

für alle, die es noch nicht wissen: ich trage eine rote jacke. sie ist wirklich sehr, sehr rot. nicht dunkelrot wie reife sauerkirschen, sondern intensiv, kräftig, eher so ein feuerlöscher-signal-rot. dazu habe ich normalerweise, zumindest wenn ich in die uni gehe, meine orangefarbene umhängetasche umhängen, die wirklich nicht zu übersehen ist. zum einen, weil sie eine gewisse größe hat, und zum anderen weil sie wirklich so orange ist, dass sie einem ins auge springt. böse zungen sagen sogar, es wäre ein "müllabfuhr-orange", aber dagegen möchte ich mich vehement verwehren, denn sie hat eigentlich genau die farbe gesunder, vermutlich gespritzter und ziemlich dickschaliger orangen aus dem supermarkt, erste wahl und frisch aufgefüllt.
nicht, das ich zwanghaft auffallen möchte mit dieser jacke/tasche-kombination, ich bin damit weder einzigartig noch sonderlich individuell, aber das man mich sieht, dass denke ich schon. vielmehr: das dachte ich schon. bis heute.

ich gehöre, wie so viele menschen (und studenten ins besondere), zur spezies der im straßenverkehr musikhörenden. allerdings meine ich von mir mit fug und recht behaupten zu dürfen, dass ich meine musik nie laut genug habe, um meine umwelt damit zu terrorisieren, geschweige denn so laut, dass ich gar nichts mehr von meinem umfeld mitbekomme. heute jedoch habe ich auch daran zweifeln müssen.

ich lebe in einer der fahrradfahrerfreundlichsten städte deutschlands, wenn nicht sogar europas, ach, was sag ich, der welt! naja, zumindest ist dresden um einiges fahrradfahrerfreundlicher als zum beispiel halle an der saale. es gibt hier fahrradwege, abgesenkte bordsteine, ja sogar fahrradampeln und wenn man glück hat sogar freundliche autofahrer, die nicht auf fahrradfahrerjagd sind. was also spricht dagegen, einen fahrradweg oder, kamikaze!, sogar die straße zu benutzen?

folgendes geschah: nichtsahnend und unschuldig steige ich aus meiner absoluten lieblingskuschelbuslinie, der 61, freue mich auf die baldige ankunft im trauten heim und, das gebe ich zu, bin mit meinen gedanken weit, weit weg von der kalten, etwas nassen straße, und vor allem weit weg von ende januar. trotz alledem besitze ich noch genug anstand, die verkehrsordnung zu beachten, ich laufe brav über die ampel, dann den fußweg hinauf, immer richtung heimat. nun, leider kam ich nicht weit. nach wenigen metern fußweg mit jamie cullum im ohr fand ich mich auf dem harten boden der wirklichkeit wieder, bestehend aus nassen pflastersteinen - auf dem fußweg. und als ob das noch nicht genug wäre, lag auf meinem rücken, vielmehr auf meiner roten jacke und meiner orangefarbenen tasche, ein junger mann samt fahrrad, welches er mir kurz vorher noch in die waden gefahren hatte.

das ein solcher sturz einen schrecken einjagen kann, verstehe ich ja. aber kann man deswegen nicht trotzdem aufstehen? ich hätte gekonnt, der junge mann auf meiner tasche jedoch anscheinend nicht, denn während mir langsam kalt wurde blickte er erst einmal verblüfft in die gegend. erst als ich ihn sacht darauf hinwies, das ich mir durchaus eine bequemere position vorstellen könnte, richtete er sich und sein fahrrad, etwas ungelenk, auf und bemühte sich eilig um vielmalige entschuldigung. kaputt gegangen schien nichts, weder an ihm und seinem fahrrad.das kann passieren, das sehe ich ein. aber zwei mal in knapp einer woche? auch wenn ich nur in einem der beiden fälle richtig auf dem bauch (und der roten jacke!) lag, gibt mir das doch zu denken.

lieber unbekannter junger mann mit dem fahrrad - was war da los? bin ich so leicht übersehbar? das beschäftigt mich zu tiefst! was kann ich dagegen tun? ich erinnere mich an grellgelbe und -grüne reflektoren in teddy- und autoform, die ich zur schuleinführung bekommen habe. in der grundschulzeit, vor allem deren ersten beiden jahren, haben wir sie gesammelt, einige hatten sie gebündelt am schulranzen. war das cool... vielleicht sollte ich mal auf die suche gehen - ob ich sie noch habe? wenigstens einen teddy? ich sollte mich darum kümmern und sie dann auf meine tasche kleben, um erneute kollisionen zu vermeiden...!

bis dahin: nehmt euch in acht, solltet ihr eine feuerlöscher-signal-rote jacke und eine orangefarbene tasche bemerken. diese kombination ist weder einzigartig noch sonderlich individuell, aber vielleicht seht ihr sie ja doch mal. ob nun mit reflektorenteddy oder ohne.

ich könnte...

...jemanden gebrauchen, der mich zum lernen motiviert.

warum ist es eigentlich immer wieder so? ich meine es ist ja nicht so, als kämen sie überraschend wie plötzlicher sonntagabendbesuch oder wie halsschmerzen, nein, sie stehen bereits seit langem fest und theoretisch, rein theoretisch, könnte man sich auf sie vorbereiten - prüfungen. ein ganzes semester denkt man sich, das man ja noch genug zeit hat. panik ist vollkommen unangebracht. 12 wochen hören sich so komfortabel lang an, und rinnen sie langsam dahin ist es wie am frühen morgen, wenn man auf die großen roten zahlen des weckers schaut und sich überlegt, das schlafen eigentlich viel schöner als aufstehen ist und man sich deswegen eigentlich nochmal getrost umdrehen kann. nur 3 minuten. oder 5. oder 10. oder noch zwei stunden und die erste vorlesung einfach ausfallen lassen... nein, so geht das nicht. das muss ein ende haben, das sagt man sich jedes beginnende semester aufs neue.

semesteranfangsvorsätze sind genauso überflüssig wie vorsätze zum neuen jahr, weil man sie ohnehin nicht in die tat umsetzt. am anfang hat man wenigstens noch ein schlechtes gewissen, aber je mehr man mitbekommt, das es genauso, wie man es vorher getan hat, auch noch gut geht, verschwindet sogar das. bis... bis ungefähr 3 wochen, bevor es ernst wird. huch, so schnell sind die 12 wochen wieder vergangen... semester-silvester, nur bittebitte diesmal ohne den kater hinterher... also doch wieder gute vorsätze zum neuen start, gewiss der tatsache, das man damit so seine probleme hat? es muss doch irgendwie noch einen anderen weg geben, für leute wie mich, die gute vorsätze verabscheuen, egal zu welcher jahreszeit und sich frühmorgens im bett gern nochmal für 3, 5 oder auch 10 minuten auf die andere seite drehen. nur was? was hilft? lernpläne? zeitmanagement? schlaue bücher? eingegrenzte freizeit? gewisse eigenschaften von musik machen intelligenter, haben forscher herausgefunden. naja, nicht ganz. aber sie befähigen das gehirn wenigstens zu komplexeren denkleistungen. okay, also drei mal am tag hardcore beschallung mit mozart, schließlich nennt sich das ganze der "mozart-effekt". dazu ausgewogenes essen, geregelte schlafenszeiten (nicht mehr bis mittag!), ein lernplan und ein kästchen voller motivationssprüche. freitags darf man zur belohnung abends ausgehen, aber nicht so lang, damit man samstag morgens wieder lernen kann.

bittebitte sagt mir, das es noch anders geht. nicht, das ich etwas gegen mozart oder ausgewogenes essen habe, aber ich habe das gefühl, das dies bei mir nicht zum gewünschten erfolg, sondern eher zur absoluten frustration führt. das wäre auch ein kater, wenngleich auch anders ausgelöst.
nein, bevor ich mich so geißele drehe ich mich doch lieber weiterhin morgens auf die andere seite, spare mir alle guten vorsätze und lerne wieder zwei wochen vorher, allerfrühestens. wenigstens bin ich dann für die restlichen wochen des semesters ein bisschen glücklicher. oder nicht?