18. März 2008

A Trip to Asia

Ich gebe ehrlich zu, dass ich Fan bin. Spätestens seit ich "Rythm is it", den ersten Film von Thomas Grube in Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern, gesehen habe; seitdem eigentlich noch viel mehr als vorher. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich war todmüde, hatte aber in der Zeitung gelesen, dass "Rythm is it" kurz vor Mitternacht auf einem dritten Programm laufen sollte. also habe ich mich mit aller Macht wachgehalten, schon weil ich so gespannt auf Rattle war. Ich musste mich nicht zu lange wachhalten. Bereits kurz nach Beginn des Filmes wurde ich von Selbigem so in Beschlag genommen, dass die Zeit wie im Fluge verging und ich ganz gebannt vor dem Fernseher hockte.

Das war 2004.

Nun also: "A Trip to Asia", der neue Film von Thomas Grube in Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern und Sir Simon Rattle. Ich musste mich gar nicht wachhalten, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen ins Kino gegangen, in froher Erwartung auf einen Film, der, auch wenn er nur halbso gut wie "Rythm is it" wäre, schon als abslut lohnenswert zu betiteln ist.

Keine Angst... Er ist nicht halbso gut. Er ist mindestens genauso gut, wenn nicht gar besser.

Die äußere Handlung ist denkbar schlicht: Die Berliner Philharmoniker begeben sich im Jahr 2005 auf eine Asientournee mit Konzerten in Beijing, Seoul, Shanghai, Hongkong, Taipeh und Tokio.

Was allerdings aus diesem Rahmen gemacht wird, ist äußerst bemerkenswert: Es ist kein schlichtes Tour-Tagebuch, kein bloß beobachtendes Auge, keine nüchterne Darstellung; es ist vielmehr ein Charakterportrait eines Orchesters am Beispiel einer Reise. Natürlich kann dies nicht allumfassend sein, aber in dieser kurzen Zeit wäre das ohnehin unmöglich.

Wenn man will, so sieht man die Asienreise als Symbol: Grube nutzt sie, er nimmt den Zuschauer mit auf viele andere Reisen: Vom Probespiel bis zur Pensionierung, von der gespaltenen Musikerpersönlichkeit bis zum Einklang (nicht umsonst heißt der Untertitel "Auf der Suche nach dem Einklang"), von den Traditionen und Wurzeln des Orchesters bis in die Gegenwart, von Beethoven und Strauß bis Adès. Es wird eine nahezu einmalige Gelegenheit geschaffen, die Musiker von ihrer ganz persönlichen, zerissenen, aber auch von ihrer starken, erfolgreichen Seite kennenzulernen. Es werden Ängste angesprochen, Probleme; und mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Zerissenheit wird über das Leben als Musiker und über die Existenz in einem solchen Orchester gesprochen. Grube hat hierbei aber einen bemerkeswerten Blick sowohl für das Große als auch für kleine Details, nie wird der Film zu ausschweifend oder langatmig. Dies liegt sicherlich auch an den Bildern. Der Film vermittelt mit zum Teil stark gezeichneten Kontrasten und beeindruckenden Bildern die Widersprüchlichkeiten der Großstädte, Asiens, des Orchesters, des Daseins... Man könnte es als Komposition umschreiben, was Thomas Grube da aus den einzelnen Szenen gebaut hat: Geschickt mischt er die Eindrücke der Reise mit Stimmen ausgesuchter, verschiedener Musiker, und große Teile bilden Aufnahmen von Proben oder Konzerten. Grube bildet geradezu ein Netz aus roten Fäden, und einen davon bildet Richard Strauss' "Ein Heldenleben", dass sich nahezu programmatisch zu den Aussagen der Musiker fügt. Natürlich sieht man auch Ausschnitte aus der "Eroica" von Ludwig van Beethoven, interessanter aber noch sind die Proben zu "Asyla" von Thomas Adès, einem zeitgenössischen Werk, das verdeutlicht, dass eben auch bei den Profis nicht alles sofort so klappt, wie es klappen soll.

Über all dem, wie bereits bei "Rythm is it", steht der Sir. Simon Rattle kennt seine Musiker, kennt ihr Leben, weiß, was ihnen zugemutet wird. Mit Ruhe und Eindringlichkeit reflektiert er die Reise, das Musikerleben, erklärt, besänftigt, regt zum Nachdenken an. Irgendwie väterlich sieht man ihn, wenn er über sein Orchester spricht oder in der Probe ans Pult tritt. Und auch die Musiker sind noch immer begeistert von ihm: Er sei halt trotz alledem noch ein großer Musiker, nicht nur ein großer Dirigent, sagt einer aus dem Orchester und lächelt dabei. Natürlich ist er, wie das ganze Orchester, auch ein Star. Das merkt man spätestens, wenn sich nach dem Konzert in Taipeh die Musiker vor die Konzerthalle begeben und von tausenden jubelnden Fans empfangen werden. Aber eben ein Star mit Bodenhaftung.

"A Trip to Asia" ist ein faszinierender, an einigen Stellen auch zum Schmunzeln anregender Film, der Einblick in das Orchester, vor allem aber auch eine sehr persönliche Sicht auf die Musiker gibt. Man kann nicht anders als mit ihnen mitfühlen, und an der Stelle, an der es um Lampenfieber geht - ich bin mir sicher, dass viele im Saal, so wie ich, selber Lampenfieber gehabt haben, dass sich erst mit dem donnernden Applaus der vielen begeisterten Zuschauer löste.

Rattle findet, wie immer, die richtigen Worte über Musik, die man, so wie der Film nicht nur ein Film über Musik oder ein Orchester, sondern eigentlich über das Leben ist, auch über das Leben an sich sagen könnte: "Es ist einfach eine unschlagbare Droge. Und ich bin glücklich, bis ans Ende meiner Tage ein Süchtiger zu sein."

Für weitere Informationen und den Filmtrailer: http://www.triptoasia.de

Das ist meine persönliche Sicht der Dinge. Wer meint, ich habe den Film zu sehr über den grünen Klee hinaus gelobt, neugierig geworden ist, die Berliner Philharmoniker mag, Simon Rattle gern mal auf einer großen Leinwand sehen würde, sich für das Leben in und mit einem Orchester interessiert oder einfach nur gern gute Unterhaltung genießt, der sollte sich beeilen: Der Film läuft leider nur in ausgewählten Programmkinos und leider nie allzu lang. Auf der oben angegebenen Webseite findet sich auch ein Verzeichniss der Kinos in den einzelnen Städten, die diesen Film aufführen (und wann sie ihn zeigen). Oder man kauft sich die Dvd. Ich kann es wirklich nur empfehlen, und nach dem letzten Ton des Abspannes ist es ein bisschen wie nach einem guten Konzert: das Publikum sitzt 10 Sekunden lang gebannt nach vorn schauend da, bis sich langsam die ersten regen - und das, ohne dass jemand einen Taktstock senkt.